KI-Systeme wie ChatGPT werden zunehmend in juristischen Zusammenhängen eingesetzt – von Vertragsvorschlägen bis hin zu schnellen rechtlichen Erläuterungen. Doch das wirft eine entscheidende Rechtsfrage auf: Gelten die Antworten von Large Language Models (LLMs) als Rechtsberatung? Und wenn ja – wer darf sie überhaupt erteilen?
Rechtsberatung: Eine geschützte Tätigkeit
In vielen Rechtsordnungen – insbesondere in Deutschland und der EU – ist Rechtsberatung eine regulierte Tätigkeit. Das deutsche Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) definiert Rechtsdienstleistungen in:
„Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.“
(§ 2 Abs. 1 RDG)
Das bedeutet: Sobald jemand (oder etwas) Ratschläge dazu gibt, wie ein bestimmtes Gesetz auf einen konkreten Fall anzuwenden ist, handelt es sich um Rechtsberatung – und dafür ist in der Regel eine Zulassung als Rechtsanwalt erforderlich.
Und KI?
LLMs wie GPT-basierte Systeme können Antworten erzeugen, die wie Rechtsberatung wirken. Aber ist das nach dem Gesetz wirklich „Rechtsberatung“? Das hängt von mehreren Faktoren ab:
- Konkreter Bezug: Bezieht sich die Antwort auf einen spezifischen Einzelfall?
- Juristische Bewertung: Enthält die Antwort eine rechtliche Auslegung?
- Zielgruppe: Unterstützt die Antwort interne juristische Arbeit – oder wird sie öffentlich bereitgestellt für Personen, die rechtlichen Rat suchen?
- Kontext: Erfolgt die Nutzung in einem beratenden Umfeld oder als allgemeine Information?
Rechtliche Bewertung in Deutschland
Nach Einschätzung vieler Jurist:innen und laufender Debatten in Deutschland kann KI-generierter Output eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 RDG darstellen – insbesondere wenn:
- personalisierte Empfehlungen ausgesprochen werden („Sie sollten …“),
- Rechtsnormen für einen konkreten Sachverhalt ausgelegt werden,
- kein menschlicher Review durch eine fachkundige Person erfolgt.
Wird eine solche KI-gestützte Rechtsberatung ohne Zulassung nach RDG Dritten angeboten, liegt möglicherweise eine unerlaubte Rechtsdienstleistung vor – mit Untersagung (§ 3 RDG) und möglichen Geldbußen.
KI als Werkzeug vs. KI als Dienst
Die zentrale Unterscheidung:
- KI als Werkzeug: Wird von Anwält:innen intern genutzt. ✅ Zulässig.
- KI als Dienst: Wird ohne juristische Prüfung öffentlich angeboten. ❌ Möglicherweise unzulässig.
Das heißt: Ein:e Anwalt:in, der GPT für einen Vertragsentwurf nutzt und diesen anschließend prüft – ist rechtlich unproblematisch. Eine App, die juristische Empfehlungen ohne menschliches Review an Endnutzer:innen gibt – könnte gegen das RDG verstoßen.
Internationale Perspektiven
In den USA variiert die Rechtslage je nach Bundesstaat. Auch dort gelten Regeln zur „Unauthorized Practice of Law“ (UPL): KI-Systeme, die Rechtsberatung leisten, könnten gegen UPL-Vorgaben verstoßen, wenn sie nicht unter Aufsicht von Anwält:innen betrieben werden. Die ABA (American Bar Association) und einzelne State Bars haben dazu offizielle Hinweise veröffentlicht.
Best Practice: Transparent und vorsichtig
Wer KI im juristischen Umfeld nutzt oder anbietet, sollte:
- klare Haftungsausschlüsse verwenden („Keine Rechtsberatung“),
- den Output auf allgemeine Rechtsinformationen beschränken,
- eine juristische Prüfung durch qualifizierte Personen einbauen,
- die Verantwortung klären – denn die KI haftet nicht, Sie aber möglicherweise schon.
Fazit
Ja – LLMs können Inhalte erzeugen, die rechtlich als Rechtsberatung gelten. Doch sie sind nicht haftbar und nicht zur Rechtsberatung befugt. Die Verantwortung liegt bei den Menschen, die solche Systeme einsetzen – oder daran verdienen.
Rechtlich sicher: KI darf juristische Arbeit unterstützen – aber nicht ohne Prüfung durch eine zugelassene Fachkraft (Rechtsanwalt). Im Zweifel gilt: lieber Information als Beratung.
Je mehr die Grenze zwischen Information und Beratung verschwimmt, desto klarer wird die strategische Entscheidung – für Kanzleien und Legal-Tech-Anbieter gleichermaßen: selbst regulieren – oder reguliert werden.
Weiterführende Links & Quellen
- IBA – Artificial Intelligence and legal services in Germany (PDF)
- ABA Formal Opinion 512 – Ethikleitlinien zur Nutzung von Generativer KI
- Reuters: Lawyers using AI must heed ethics rules
- Reuters: Seven Cs of ethical AI use by lawyers
Bildnachweis: Alexander Supertramp – Shutterstock